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Ein Mädchen läuft mithilfe einer Gehhilfe.

Biografiearbeit

In den Blindeninstituten haben wir die Biografiearbeit fest verankert. Jeder Mensch hat seine eigene Lebensgeschichte und ist ein einmaliges, unverwechselbares Individuum mit spezifischen Lebensthemen, Wünschen und Hobbys. Auch die Lebensgeschichte eines Menschen mit Komplexer Behinderung bleibt nicht stehen, sondern ist im ständigen Fluss und verändert dadurch wieder das Selbsterleben.

Unser Ziel ist es, dass unsere Klient*innen erleben, dass es ihre Geschichte ist, mit der sie verbunden sind. Sie sollen ihre Lebensgeschichte fühlen und sich darin wiedererkennen. Dafür verwenden wir Methoden, welche die verschiedenen Wahrnehmungskanäle ansprechen und die vorwiegend körperlich-sinnlich orientiert sind: Mehr-Sinn-Geschichten, sprechende Fotoalben, Gerüche-Boxen mit olfaktorischen Reizen, Lebensstil-Bücher, Ich-kann-Karten oder visualisierte Netzwerkkarten mit Originalstimmen.
Hände erfühlen einen zotteligen, grünen Waschlappen, der an einem Holzbrett befestigt ist und mit dem Wort Dienstag beschriftet ist.
Ich-Bücher sind eine Methode biografischen Arbeitens und ein Ausdruck einer sensiblen biografischen Begleitung. Sie befassen sich mit dem Selbsterleben der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit Komplexer Behinderung und gehen von ihrer Binnenperspektive aus. Aus vielen einzelnen Episoden, die mit Fotos angereichert sind, erwächst so eine Lebensgeschichte.
Um sich der Zukunft anzunähern und Zukunftswünsche wahr werden zu lassen, verwenden wir die Methode der persönlichen Zukunftsplanung. Hier geht es darum, gemeinsam mit einem Unterstützerkreis aus Familie, Freunden und dem professionellen Begleitteam darüber nachzudenken, welche persönlichen Lebensentwürfe und Zukunftswünsche unsere Klient*innen haben.

Im Mittelpunkt steht eine lebendige Beschreibung der Person, ihrer Stärken, Fähigkeiten, Vorlieben und Interessen. Gemeinsam entwickeln wir eine persönliche Zukunftsplanung und setzen diese in die Realität um. Wir beobachten Schritt für Schritt, ob sich unsere Klient*innen wohl dabei fühlen oder sich ihre Bedürfnisse und Wünsche ändern. Typische Fragen der persönlichen Zukunftsplanung sind:
  • Wie, wo und mit wem möchten Menschen mit Komplexer Behinderung leben?
  • Wie, mit wem und in welcher Form möchten Sie ihre Freizeitaktivitäten gestalten?
  • Wie, wo und was möchten Menschen mit Komplexer Behinderung arbeiten?

Im Leben von Menschen mit Komplexer Behinderung gibt es immer wieder Ereignisse und krisenhafte Situationen, welche ihren Alltag belasten. Plötzlich eintretende Erkrankungen mit teilweise langen Krankenhausaufenthalten sind eine Konstante in ihrer Lebensgeschichte und erfordern eine enge Begleitung.

Daneben kommt es in ihrer Biografie immer wieder zu Übergängen, weil organisatorische Veränderungen anstehen oder Altersgrenzen erreicht sind, wenn sie beispielsweise vom Kinder- und Jugendbereich in den Erwachsenenbereich, von einer Wohngruppe in eine andere wechseln oder ein Schulklassenwechsel ansteht.

Viele solcher Übergangssituationen sind für Menschen mit Komplexer Behinderung kaum vorhersehbar und wirken dem Bedürfnis nach Sicherheit entgegen. Wir begleiten diese biografischen Belastungen und Übergänge, damit unsere Klient*innen das Geschehene verstehen und dabei eine aktive, teilhabende und mitbestimmende Rolle einnehmen können. Unser Ziel ist, dass es zu keinem Bruch in ihrem Leben kommt.

Der nahende Tod eines Menschen mit Komplexer Behinderung ist eine krisenhafte Situation existenziellen Ausmaßes, die die Wertvorstellungen und ethische Betrachtungsweisen aller Beteiligten berührt. Im Umgang mit dem Sterben werden das eigene Menschenbild und die Lebenskultur deutlich. Bei der Auseinandersetzung mit ethischen Fragen kann das interdisziplinäre Ethik-Team der Blindeninstitutsstiftung unterstützen.